Agrarallianz Schweiz

Biodiversität in der Landwirtschaft fördern

Zusammenfassung

Die Landwirtschaft hat eine massgebliche Verantwortung für den Zustand der Biodiversität in der Schweiz. Mit dem Positionspapier Biodiversität zeigt die Agrarallianz, wie die Produktion von Lebensmitteln biodiversitätsfreundlich ausgestaltet werden kann.

Die Agrarallianz schlägt unter anderem vor,

  • die agrarpolitischen Instrumente und Direktzahlungen so zu überarbeiten, dass sie den Erhalt und die Förderung der Biodiversität im Kulturland sicherstellen;
  • biodiversitätsfördernde Anstrengungen der Landwirtinnen und Landwirte durch Abnahmeverträge und Vermarktungsstrategien zu unterstützen;
  • wirksame Biodiversitäts-Mehrleistungen abzugelten – durch Marktpartner und wo notwendig durch staatliche Ausgleichszahlungen.

Eine zentrale Rolle bei der Förderung der Biodiversität kommt den Vernetzungsprojekten zu, deren Potenzial bisher bei weitem nicht ausgeschöpft wurde.

Ausgangslage und Ziel

Trotz Ausgaben des Bundes für die Landwirtschaft im Umfang von jährlich mehr als 3,5 Milliarden Franken, und trotz des klaren gesetzlichen Auftrags zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, nimmt die Artenvielfalt insbesondere im Kulturland weiter ab – und dies stärker als im Wald oder im Siedlungsraum. Dabei sind die Beseitigung naturnaher Lebensräume, die Überdüngung des Kulturlands und der sehr hohe Pestizideinsatz die Kernursachen für den hohen Verlust der Artenvielfalt.

Nach wie vor ist die Landwirtschaft beim Umweltziel im Bereich Biodiversität weit von der Zielerreichung entfernt und entfernt sich teilweise laufend weiter. Dies muss sich ändern. Da die Landwirtschaftspraxis wesentlich von der Agrarpolitik des Bundes geprägt ist, müssen Parlament und Bundesrat den notwendigen Spielraum und die notwendigen Anreize schaffen, damit die Umweltziele im Bereich Biodiversität möglichst schnell erreicht werden können. Die Landwirtschaft muss sich über die biologische und integrierte Produktion auf eine agrarökologische Produktionsweise ausrichten.

Die Agrarallianz mit ihren zwanzig Organisationen möchte einen Beitrag leisten. Im vorliegenden Positionspapier bekennt sich die Agrarallianz zur eminenten Bedeutung der Biodiversität für die Landwirtschaft und ebenso zu den Umweltzielen, die bis 2035 endlich erreicht sein müssen.

Bestehende Initiativen und Programme

Viele Landwirtschaftsbetriebe fördern in Eigeninitiative, aus Freude und aus Überzeugung die natürliche Vielfalt auf ihren Betrieben. So auch die rund 10’000 IP-Suisse Produzentinnen und Produzenten sowie die rund 6’900 Bio-Betriebe, die je mit ihren Biodiversitäts-Punktesystemen über die Anforderungen des ÖLN hinaus sowohl die Vielfalt von Lebensräumen und das Vorkommen von Arten wie auch den Erhalt von Sorten und Rassen fördern. Die entsprechenden Mehraufwände und Mindererträge werden zu Teilen über Direktzahlungen und zu Teilen über einen höheren Preis am Markt abgegolten.

Auch verschiedene einzelbetriebliche und regionale Engagements tragen in Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Forschung und Naturschutzorganisationen, jedoch mit beträchtlichen Zusatzaufwänden zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität im Kulturland bei.

Untersuchungen zeigen, dass mit einer konsequenten, auf die betrieblichen Möglichkeiten zugeschnittene Förderung der Biodiversität nicht nur eine weitgehende Erhöhung der Artenvielfalt erreicht, sondern auch das landwirtschaftliche Einkommen wesentlich erhöht werden kann[1]. Dabei spielen die Ausschöpfung der Biodiversitätsförderprogramme der Agrarpolitik und die reduzierten Kosten einer biodiversitätsfreundlichen Bewirtschaftung je zu gleichen Teilen die wichtigsten Rollen. Trotz der attraktiven wirtschaftlichen Perspektiven wird das Biodiversitätsförderungspotenzial auf den Landwirtschaftsbetrieben heute bei weitem nicht ausgeschöpft. Selbst Vernetzungsprojekte, die vor 20 Jahren genau für diesen Zweck eingeführt wurden, nutzen die vorhandenen Möglichkeiten meist nicht im Geringsten[2].


[1] Gesamtbetriebliche Nachhaltigkeitsberatung – Nachhaltigkeitspotenziale der Schweizer Landwirtschaft durch gesamtbetriebliche ökologisch-ökonomische Beratung besser ausschöpfen. Schlussbericht. Vision Landwirtschaft / BAFU 2018

[2] Evaluation Vernetzungsprojekte. Schweizerische Vogelwarte / BAFU 2019

Biodiversität: Definition und Bedeutung

Definition: Biodiversität umfasst die Vielfalt der Ökosysteme, der Arten, die genetische Vielfalt innerhalb der Arten sowie die Vielfalt der Wechselwirkungen zwischen diesen Ebenen.

Biodiversität: Existenzielle Bedeutung für die Landwirtschaft

Die Erhaltung und Förderung der Biodiversität haben einen grundsätzlichen Eigenwert. Hinzu kommt, dass sie für die landwirtschaftliche Produktion von existenzieller Bedeutung ist. Viele Studien zeigen, dass die Biodiversität der Landwirtschaft zahlreiche unverzichtbare Ökosystemleistungen zur Verfügung stellt – von der Nährstoffmobilisierung in den Böden über die Bereitstellung einer vielfältigen Genetik bis hin zur Schädlingskontrolle und zur Bestäubung der Kulturen. Insgesamt sind artenreiche Lebensräume produktiver und widerstandsfähiger als artenarme und artenreiche Lebensräume passen sich besser und schneller an den Klimawandel an.

Wo die Biodiversität schwindet, gehen diese Ökosystem-Dienstleistungen entsprechend zurück. Allein in der Schweiz summieren sich diese Biodiversitäts-Leistungen jährlich auf mehrere Milliarden Franken. Der Schutz und die Förderung der Biodiversität sind deshalb von Interesse für die Schweizer Landwirtschaft. Dies auch deshalb, weil nur damit die landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen erhalten und die Versorgungssicherheit langfristig gesichert werden kann. Eine grosse Artenvielfalt ist folglich zentral für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Eine reiche Biodiversität ist mit einer hohen Landschaftsqualität verknüpft, bietet damit für Menschen einen hohen Erholungswert. Die Landwirtschaft trägt damit eine Verantwortung für den Erholungswert von Landschaften.

Biodiversität: Klarer Auftrag zur Erhaltung

Für die Agrarallianz bilden die Umweltziele Landwirtschaft im Bereich Biodiversität wie auch wissenschaftliche Grundlagen die Basis für die im folgenden präsentierten Standpunkte und Forderungen.


Das Umweltziel Landwirtschaft für die Biodiversität lautet:
Die Landwirtschaft leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität. Dies umfasst die Aspekte 1. Artenvielfalt und Vielfalt von Lebensräumen, 2. genetische Vielfalt innerhalb der Arten sowie 3. Funktionale Biodiversität.

Teilziel 1 – Arten und Lebensräume:
Die Landwirtschaft sichert und fördert die einheimischen, schwerpunktmässig auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche vorkommendenden oder von der landwirtschaftlichen Nutzung abhängigen Arten (…) und Lebensräume (…) in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet. Die Bestände der Zielarten werden erhalten und gefördert. Die Bestände der Leitarten werden gefördert, indem geeignete Lebensräume in ausreichender Fläche und in der nötigen Qualität und räumlichen Verteilung zur Verfügung gestellt werden.

Teilziel 2 – Genetische Vielfalt
Die Landwirtschaft erhält und fördert die genetische Vielfalt von einheimischen wildlebenden Verwandten der Kulturpflanzen, von einheimischen Wildpflanzen, die für Ernährung und Landwirtschaft genutzt werden, sowie von anderen einheimischen, schwerpunktmässig auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche vorkommenden wildlebenden Arten. Sie leistet zudem einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung von einheimischen Sorten landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und von Schweizer Rassen.

Teilziel 3 – Ökosystemleistungen
Die Landwirtschaft bewahrt und fördert die von der Biodiversität erbrachten Ökosystemleistungen.


Biodiversität: Wissenschaftliche Grundlagen

Der Index der Vogelarten, für welche die Landwirtschaft eine besondere Verantwortung trägt (UZL-Arten), zeigt für die 29 Zielarten seit den 1990er Jahren einen weitergehenden dramatischen Rückgang. Und dies, obschon die Bestände nachstarken Rückgängen seit den 1960er Jahren bereits auf sehr tiefem Niveau gestartet sind. Um typische Kulturland-Brutvogelarten im schweizerischen Mittelland zu fördern, bedarf es mindestens 14% ökologisch wertvolle Flächen in der Landschaft. Auch der OPAL-Bericht der Agroscope geht im Mittelland von einem durchschnittlichen Anteil ökologisch wertvoller Flächen (UZL-Qualität) von mindestens 12 Prozent an der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus (10 bis 14 %).

Auch bei den Pflanzen zeigt sich gemäss der Wissenschaft ein ähnliches Bild. Arten mit spezifischen Lebensraumansprüchen, wie beispielsweise die traditionelle Ackerbegleitflora, sind die am meisten gefährdeten Gilden der heimischen Flora.

Positionen der Agrarallianz

  • Erhalt und Förderung der Biodiversität und Landschaftsvielfalt ist eine wichtige gemeinwirtschaftliche Leistung, für die Staat und Landwirtschaft eine grosse Verantwortung tragen. Nicht-marktfähige Leistungen sind in erster Linie mit Direktzahlungen abzugelten. Über die Labelproduktion erbrachte Mehrleistungen, die über den gesetzlichen Anforderungen liegen, sind mit zusätzlichen Markprämien fair zu honorieren.
  • Die Biodiversität in der Schweiz und insbesondere im Kulturland befindet sich generell in einem schlechten Zustand und der Biodiversitätsverlust schreitet weiter voran. Dies nun auch in immer höheren Lagen. Eine nicht standortangepasste, oft unnötig biodiversitätsschädigende landwirtschaftliche Praxis trägt zum Biodiversitätsverlust bei. Die Agrarpolitik steht in der Pflicht, diesen Trend umzukehren.
  • Die Fläche der naturnahen Lebensräume in der Tal- und Hügelzone ist ungenügend. Die im OPAL-Bericht aufgezeigten minimalen BFF-Anteile müssen in den nächsten Jahren konsequent über Vernetzungsprojekten realisiert werden, unter Berücksichtigung der qualitativen Anforderungen.
  • Der Aufbau der Ökologischen Infrastruktur mit Kerngebieten und Vernetzungsgebieten muss über geeignete Instrumente auch im Kulturland garantiert werden.
  • Die Sicherung und Förderung der Biodiversität ist ein Umweltziel, das durch die Landwirtschaft ebenso einzuhalten ist, wie die Vorschriften bezüglich Nährstoffe und Pestizide. Es ist ein analoger „Absenkpfad Rote Liste“ einzuführen.
  • Die ausschliessliche Umsetzung des Erhalts und der Förderung der Biodiversität mit Hilfe von Anreizen allein ist zu wenig zielführend, da eine Vielzahl von Massnahmen des Bundes den Bemühungen zur Förderung der Biodiversität entgegenstehen. So zum Beispiel die hohen pauschalen Versorgungssicherheitsbeiträge.
  • Die Boden-Biodiversität in der Schweiz wird aufgrund des Pestizideinsatzes, der Nährstoffzufuhr und schwererer Maschinen stark beeinträchtigt. Wissenschaftliche Untersuchungen und rasche, wirksame Massnahmen zugunsten gesunder Böden sind deshalb dringend.
  • Die nachhaltige Nutzung der genetischen Vielfalt von Kulturpflanzen und Tierrassen ist noch ungenügend und bleibt eine grosse Herausforderung. Was fehlt, sind klare, quantifizierbare Zielvorgaben und Indikatoren für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Kulturpflanzenvielfalt. Das aktuelle Teilziel 2 der UZL “Die Landwirtschaft leistet zudem einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung von einheimischen Sorten landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und von Schweizer Rassen.“ ist weder klar noch quantifizierbar und für die Erarbeitung eines Massnahmenplanes oder einer Evaluation ungeeignet.
  • Für die Sicherung der genetischen Vielfalt der wildlebenden Arten inklusive der Verwandten der Kulturpflanzen (CWR) ist die Erhaltung, Erweiterung und Vernetzung der naturnahen Lebensräume entscheidend. Es bestehen noch keine konkreten Massnahmenpläne betreffend wildlebende Arten, dies im Gegensatz zur gezüchteten genetischen Vielfalt. Diese sollen bis 2025 definiert werden.

Ansprüche der Agrarallianz

Anforderungen an die Agrarpolitik

  • Das Parlament fordert vom Bundesrat ein Programm, das zeigt, wie die OPAL-Flächen bis 2035 zu erreichen sind und wie die Landwirtschaft ihren Beitrag an die Ökologische Infrastruktur leistet. Das Programm orientiert sich an agrarökologischen Prinzipien und legt dar, wie die Biodiversität sowohl auf den Produktionsflächen als auch auf den Biodiversitätsförderflächen gefördert werden kann. Es enthält 4-jährige Zwischenziele. Der Bund legt wirksame Massnahmen fest, die eingeführt werden, falls die Zwischenziele nicht erreicht werden.
  • Auf offenen Ackerflächen ist ein Anteil strukturwirksamer BFF (Bunt-/Rotationsbrachen, Säume auf Ackerland, Hecken, Kleinstrukturen) von mindestens 5 Prozent zu unterhalten.
  • Die Agrarpolitik muss mit geeigneten Instrumenten dazu beitragen, dass regional angepasste Ökologische Infrastruktur im Kulturland aufgebaut werden.
  • Vernetzungsprojekte müssen in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen bei der standortgemässen, differenzierten, gesamtbetrieblichen Biodiversitätsförderung. Dieses Potenzial wird derzeit bei weitem nicht genutzt. Insbesondere müssen die UZL-Zielarten korrekt berücksichtigt, Art und Lage der Massnahmen den Ansprüchen dieser Zielarten angepasst werden und die Mindestflächenziele des OPAL-Berichtes sichergestellt werden.
  • Direktzahlungen und andere Anreize, die der Biodiversität schaden, sind zu eliminieren oder neu so auszurichten, dass sie die Biodiversität erhalten und fördern. Zu diesen biodiversitätsschädlichen Instrumenten gehören u.a. die gegenwärtige Form von Investitionshilfen, Strukturverbesserungsmassnahmen und Versorgungssicherheitsbeiträgen, die Absatzförderung oder die millionenschweren direkten und indirekten Subventionen für den Pestizideinsatz.
  • Strukturverbesserungsmassnahmen und Investitionskredite werden nur noch dann bewilligt, wenn sie nachweislich positive Effekte auf die Biodiversität haben, die Critical Loads bei den Stickstoffemissionen nicht überschritten werden und diese auf die ökologische Infrastruktur abgestimmt sind. Stallbauten in Regionen mit Emissionen, die über den Critical Loads liegen, sind nach dem Stand der Technik zur Emissionsminderung auszurüsten und die geplante Tierzahl soll mit dem lokal produzierten Futter ernährt werden können.
  • Zahlreiche Studien weisen auf die negativen Auswirkungen des Pestizid- und Stickstoffeinsatzes auf die Biodiversität hin. Die Forderungen der Agrarallianz gemäss Positionspapier «Pestizide» und «Stickstoff» sind auch zum Schutz der Biodiversität konsequent umzusetzen.
  • Bei der Entwicklung von technischen (Maschinen) und technologischen Verfahren (Smart-Farming), mit dem Ziel den Pestizideinsatz zu reduzieren oder zu verhindern, ist dem Aspekte der Auswirkungen auf die Biodiversität Rechnung zu tragen.

Anforderungen an Ausbildung und Beratung

  • Um künftige Landwirtinnen und Landwirte optimal auf die Bewältigung dieser Aufgabe vorzubereiten, sind auch die landwirtschaftlichen Schulen gefordert. Dem Teil «Ökologie und Biodiversität» muss in der Ausbildung deshalb deutlich mehr Gewicht beigemessen werden.
  • Im Bereich Beratung und Weiterbildung müssen die entsprechenden Fachstellen der Kantone Grundlagen und Konzepte schaffen, wie sie die Betriebe effektiv darin unterstützten können, die Biodiversität zu erhalten und zu fördern.

Verbesserungen auf Ebene BFF (Direktzahlungsverordnung)

  • Erfüllung der regionalisierten operationalisierten Umweltzielen Landwirtschaft im Bereich Biodiversität pro Betrieb (inkl. Betriebe mit Spezialkulturen) als Mindestanforderung für den ökologischen Leistungsnachweis. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass der dramatische Rückgang der Artenvielfalt im Kulturland nur gestoppt werden kann, wenn die bestehenden Instrumente optimiert und der Vollzug verbessert werden.
  • Derzeit werden ausserhalb von extensiv genutzten Weiden und BFF entlang von Fliessgewässern pro Parzelle lediglich 1% unproduktive Strukturen toleriert, ansonsten droht ein Abzug von der LN. Diese Beschränkung ist bei 20% anzusetzen, um die Entwicklung wertvoller Strukturen nicht weiterhin zu behindern. Wo für die Biodiversitätsförderung sinnvoll, sollen die Kantone höhere Anteile bewilligen können.
  • Im Rahmen des ÖLN ist ein für jeden Betrieb obligatorisches Konzept zu etablieren, das aufzeigt wie die Strukturvielfalt[1] auf Landwirtschaftsbetrieben wirksam gefördert und abgegolten werden kann. Es sind schweizweit anwendbare Kriterien zur Bestimmung der Minimalanforderung an die Strukturvielfalt auf landwirtschaftlichen Betrieben (Konzept Strukturvielfalt) zu entwickeln, um die Biodiversitätswirkung der agrarpolitischen Instrumente (Biodiversitätsbeiträge und Vernetzungsbeiträge) zu optimieren.
  • Die Qualitätsstufe II, die lediglich einen minimalen ökologischen Wert einer Fläche sicherstellt, ist mit weiteren Qualitätsstufen zu ergänzen, die mit einem 75-100% höheren Bonus im Vergleich mit QII-Flächen unterstützt werden. Eine QIII-Stufe soll administrativ einfach gehalten werden, indem z.B. 10 Indikatorarten statt 6 wie bei QII gefordert werden.
  • Strukturreichtum, der für die Fauna wichtig ist, soll unabhängig und zusätzlich von der botanischen Qualität abgegolten werden.
  • Rückzugsflächen haben erwiesenermassen einen sehr positiven Einfluss auf zahlreiche Kleintiere und sind deshalb auf allen extensiv- und wenig intensiv genutzten Wiesen und Streueflächen im Umfang von 10% im Rahmen des ÖLN als obligatorisch zu erklären.
  • Der Einsatz von Mähaufbereitern auf allen BFF und der Einsatz von Steinbrechmaschinen auf der LN ist generell zu verbieten, da von beiden Geräten ein besonders gravierender negativer Einfluss auf die Biodiversität nachgewiesen ist.
  • Die Flexibilisierung der Nutzungsweise (Schnitt oder Atzheu) und des Nutzungszeitpunktes von BFF-Wiesen ist gemäss den neuesten Erkenntnissen anzupassen[2]. Insbesondere ist a) eine Differenzierung der Schnittzeitpunkte anzustreben, ohne dass dabei der Mähtermin gemäss den jetzigen DZV-Anforderungen im Durchschnitt früher erfolgt, b) die Mosaiknutzung ist gezielt zu fördern und c) die Nutzungsfrequenz auf maximal 3 pro Jahr (davon 2 Mähnutzungen) zu limitieren.

Agrobiodiversität

  • Eine Anpassung des LwG soll Beiträge für die nachhaltige Nutzung der Agrobiodiversität im Rahmen der Agrarpolitik ermöglichen. Damit könnten die Kosten und Einkommensverluste beim Anbau seltener, lokal angepasster oder regional wertvoller landwirtschaftlicher Kulturpflanzen entschädigt und die Agrobiodiversität In-situ gefördert werden. Die Entschädigung soll nach Fläche oder anderen Parametern (z.B. bei Obstbäumen) und aufgrund einer spezifischen Sortenliste erfolgen. Dabei ist eine Maximalfläche pro Sorte zu definieren, um eine einseitige Förderung zu vermeiden.
  • Bei den gefährdeten Schweizer Rassen ist sicherzustellen, dass Tierzuchtfördermittel auch dann zur Verfügung stehen, wenn Massnahmen zur Erhaltung der genetischen Variabilität stärker gewichtet werden als solche für die Erfassung und Steigerung konventioneller Leistungsdaten wie z.B. Milch- oder Mastleistung.

[1] Als Strukturen werden hier sowohl Saum- und Kleinbiotope wie auch grössere, nicht oder nur periodisch genutzte Flächen auf der Landwirtschaftlichen Nutzfläche bezeichnet.

[2] Z.B. von Klink et al. 2019: Larval and phenological traits predict insect community response to mowing regime manipulations. Ecol. Appl. 29(4)

Impressum

Erarbeitet von der Gruppe Biodiversität unter Leitung von Patrik Peyer, BirdLife.

Dieses Positionspapier wurde am 26. Januar 2021 vom Agrarallianz-Ausschuss verabschiedet. Am 11. Juni 2021 aktualisierte Fassung.

Herausgeberin
Agrarallianz / Alliance Agraire
Kornplatz 2
7000 Chur

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