Agrarallianz Schweiz

Digitalisierung in der Landwirtschaft

Leitlinien für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft.

Dank Digitalisierung können Produktionsprozesse besser überwacht und begleitet werden (Bild: stock.adobe)

Zusammenfassung

Dieses Dokument fasst die Herausforderungen der Digitalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft zusammen und skizziert Leitlinien ab, die bei zukünftigen Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung zu berücksichtigen sind.

Die Digitalisierung umfasst in unserem Verständnis die Erfassung und Aufbereitung von Daten, die genutzt werden, um Vorgänge und Arbeitsabläufe zu automatisieren. Daten sind wertvoll für die Entwicklung effizienterer und nachhaltigerer Prozesse, aber es gibt auch Risiken im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit, die berücksichtigt werden müssen.

Ziel dieses Papiers

Das vorliegende Papier fasst die wichtigsten Aspekte der Ausgangslage und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft zusammen. Daraus leitet es die zentralen Leitlinien ab, die aus Sicht der Agrarallianz-Mitglieder bei zukünftigen Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung zu berücksichtigen sind. Die Leitlinien stellen den Nutzen aus Sicht der landwirtschaftlichen Betriebe in den Vordergrund.

Definition

Warenströme werden begleitet von Informationen, von Datenströmen. Die Digitalisierung ist Voraussetzung für Automatisierung und Rationalisierung dieser Produktions- und Logistikketten. Darin vorhandene und zugänglich gemachte Daten werden genutzt, um Vorgänge und Arbeitsabläufe zu automatisieren.

Die Digitalisierung umfasst gemäss Schukat (2019) die Erfassung und Aufbereitung der Daten: «Grundsätzlich bedeutet Digitalisieren das [technologie-] (…) gestützte Erfassen, Aufbereiten und Speichern von Daten».

Ausgangslage in der Land- und Ernährungswirtschaft

  • Digitalisierung als Megatrend: Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren in der Landwirtschaft Einzug gehalten und verändert die Arbeitsweise der Betriebe. Von der Überwachung von Feldern und Nutztieren bis hin zur Optimierung von Ernte- und Produktionsprozessen werden immer mehr digitale Technologien in der Landwirtschaft eingesetzt. Das Ziel dieser Ansätze ist eine nachhaltigere und effizientere Bewirtschaftung. In der Umsetzung nimmt die Landwirtschaft eine Pionierrolle ein.
  • Digitale Lösungen über alle Stufen der Wertschöpfungskette gibt es schon lange: Über die Landtechnik, Farmmanagement- und Informationssysteme (FMIS), Anwendungen für die Buchhaltung, des (landwirtschaftlichen) Vollzugs, der Logistik, der Qualitätsdaten, der Prozessoptimierung in der Verarbeitung, der Rückverfolgbarkeit, der Kommunikation, des Marketings und der Kundenbindung.
  • Die Welt wird immer komplexer: In der Landwirtschaft steigen die Anforderungen in Bezug auf die Digitalisierung. Zudem wächst die Zahl der Angebote im Bereich der Digitalisierung. Die Digitalisierung ist sowohl Teil des Problems als auch Teil der Lösung.
  • Verschiedene Prinzipien und Grundlagen prägen die Entwicklung der Digitalisierung: In der Schweiz verfolgt der Bund das Once-Only-Principle, wonach Daten möglichst nur einmal eingegeben werden (müssen) und anschliessend geteilt werden. Zudem gilt der Grundsatz der Interoperabilität. Systeme sollen möglichst nahtlos zusammenarbeiten können. Die Chartagemeinschaft Digitalisierung der Land- und Ernährungswirtschaft definiert zwölf Leitlinien für die Digitalisierung in der Landwirtschaft Auf internationaler Ebene legt zum Beispiel der EU Code of conduct on agricultural data sharing by contractual agreement Grundzüge der Digitalisierung fest.
  • Unterschiedliche Motive für den Dateneinsatz: Die Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft nutzen Daten und Digitalisierung aus unterschiedlichen Gründen. Zu erwähnen sind: Unterstützung im Vollzug, administrative Vereinfachung, Leistungen sichtbar machen, Transparenz erhöhen, Rückverfolgbarkeit gewährleisten.
  • Daten sind die neue Währung: Daten sind wertvoll für die die Entwicklung effizienterer und nachhaltigerer Prozesse. Durch die Erfassung und Nutzung von Daten können Landwirte bessere Entscheidungen treffen und neue Geschäftsmodelle entwickeln, Abnehmer können besser planen und Konsument:innen können besser informiert werden. Die Nutzung von Daten ermöglicht deshalb die bessere Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette, sofern ethische und rechtliche Fragen berücksichtigt werden können.
  • Datenschutz liegt in der Verantwortung aller Akteure: Die Nutzung von Daten birgt aber auch Risiken, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit. Daher ist es wichtig, dass die Landwirte und die Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft sorgfältig mit Daten umgehen und geeignete Massnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit ergreifen.

Fazit: Die Digitalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft ist noch sehr fragmentiert und es gibt zahlreiche Plattformen und Ideen, die zur Anwendung kommen. Aufgrund der IT-Umsetzung von früher manuellen Prozessen ist die Interoperabilität mangelhaft, was zu Doppelerfassungen, zahlreichen Logins und fehlender Übersicht führt. Daten werden an verschiedenen Punkten erhoben, stehen aber nicht für die Analyse zur Verfügung, was zur Entstehung von Datenfriedhöfen führt.

Im Agrarsektor umfasst die Digitalisierung sowohl Software- als auch Hardware-Lösungen. Für die erfolgreiche Weiterentwicklung sind die Möglichkeiten der Datenerhebung, -speicherung und
-auswertung entscheidend. Die Digitalisierung unterstützt die Entwicklung, Kontrolle und Sichtbarmachung von Label-Mehrwerten sowie das selbstbestimmte Übermitteln von Daten für den Agrarvollzug und Zertifizierungen.

Der Handlungsbedarf liegt deshalb vor allem im Bereich der Daten-Governance, der Datensicherheit und des Datenschutzes. Dazu gehört eine gemeinsame Kultur für die Datenerhebung und Datenbewirtschaftung. Stichworte sind Datenverfügbarkeit und Datenhoheit sowie Interoperabilität ( Interoperabilität ist die Fähigkeit unterschiedlicher Systeme, möglichst nahtlos zusammenzuarbeiten. Im Kontext der Digitalisierung geht es vor allem um die Sicherstellung, dass ältere und neuere Daten gleichermassen eingesetzt werden können.) entlang der ganzen Wertschöpfungskette.

Leitlinien für die Digitalisierung in der Landwirtschaft

Wir wollen…

  • …ähnliche Ziele wie die Charta-Gemeinschaft anstreben mit anderer Gewichtung: Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, Innovation, Chancengleichheit und Partizipation, Sicherheit und selbstbestimmte Transparenz.
  • …die Prinzipien des Bundes umgesetzt wissen. Dazu gehören das Once-Only-Principle und die Interoperabilität. Wir wollen, dass Daten nur noch einmal eingegeben werden müssen und dass die verschiedenen Systeme (Dazu gehören Farm-Management und Informationssysteme privater und öffentlichrechtlicher Anbieter), möglichst nahtlos zusammenarbeiten.
  • …rasche Entwicklung eines gemeinsamen Standards für den Umgang mit Daten. Ziel muss sein, fehlende Meta- und Masterdaten zu beschaffen, die Datenformate und Datenmodelle zu vereinheitlichen und die Koordination der Bestrebungen zu verbessern. Ein wichtiges Anliegen ist die Vereinheitlichung der kantonalen Vollzugssysteme.
  • …die Wettbewerbsneutralität (Wettbewerbsneutralität bedeutet, dass die Anwendungen keinem Akteur einseitig einen Wettbewerbsvorteil einräumen.) der staatlich vorgeschriebenen Anwendungen gewährleisten.
  • …die Daten für Landwirtschaftsbetriebe, Bäuerinnen und Bauern auf Planungs- und Analyse-Ebene so nutzbar machen, dass Nachhaltigkeitsleistungen in den Bereichen Biodiversität, Klimaschutz, Ressourcenschutz, Tierwohl und Tiergesundheit, Soziales und zur Wirtschaftlichkeit sicht- und vergleichbar gemacht werden.
  • …den administrativen Aufwand reduzieren. Daten aus anderen Datenquellen, die den Landwirtschaftsbetrieb betreffen sollen für diesen einfach nutzbar gemacht werden. Landwirtschaftsbetriebe sollen die Möglichkeit (aber nicht die Pflicht) haben, im Rahmen von Labelprogrammen erfasste und plausibilisierte Daten auch für Nachweispflichten des Bundes oder Dritten wie der Forschung freizugeben.
  • …unabhängig erhobene und ausgewertete Daten zur Sicherstellung der hoheitlichen Aufgaben des Bundes und der Kantone wie Marktbeobachtung, Politik-Monitoring und -Evaluation.
  • …Freiwilligkeit (opt-in) in Bezug auf Nutzung von Fernerkundungs- und Luftbildaufnahmen (Satelliten, Flugzeuge, Drohnen) im sichtbaren Bereich, Infrarot-, Mikrowellen-Bereich (wie Radar).
  • …Internet-Abdeckung in ländlichen Gebieten und Zugang zur für die Erfassung notwendigen Technologie.
  • …effiziente und ressourcenschonende Nutzung von Software, Hardware, Infrastruktur und Energie.
  • …Daten schützen. Auf Landwirtschaftsbetrieben generierte Daten gehören den Bauern und Bäuerinnen. Nur mit deren Zustimmung dürfen diese durch berechtigte Dritte genutzt werden. Das ist auch die Haltung des europäischen Code of Conduct on agricultural data sharing by contractual agreement .
  • …dass Daten, die mit Steuergeldern erhoben wurden, der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden können.
  • …Daten einen Wert geben. Oft stehen hinter Daten erbrachte Leistungen und Werte. Leistungen zur Stärkung der Nachhaltigkeit werden durch Bauern und Bäuerinnen erbracht und sollen abgegolten werden.

Was wir nicht wollen

  • Wir wollen keine gläsernen Landwirte: Der Gebrauch der Daten für kommerzielle Zwecke ohne Abgeltung der Gewinne an Allgemeinheit und Landwirtschaft kommt für uns nicht in Frage.
  • Wir wollen keine Datennutzung als Grundlage für Geschäftsmodelle, die den Zielen der Nachhaltigkeit zuwiderlaufen (und beispielsweise den Absatz von Produktionsmitteln steigern).
  • Wir wollen keine Datenanalysen, welche die Wettbewerbsfähigkeit schwächen oder mit welchem ungerechtfertigten Preisdruck auf die Landwirtschaft ausgeübt wird.
  • Keine Datennutzung zur Standardisierung von Produkten mit der Folge von Food Waste.

Impressum

Erarbeitet von der Arbeitsgruppe Digitalisierung: Lukas Barth (IP-SUISSE), Laura Spring (Vision Landwirtschaft), Daniel Schultheiss (Bio Suisse), unterstützt durch Dagmar Weber (Agrosolution). Redaktion: Hansjürg Jäger (Geschäftsstelle Agrarallianz).

Genehmigt vom Agrarallianz-Ausschuss am 23. Mai 2023.

Herausgeberin
Agrarallianz | Alliance Agraire
Kornplatz 2
7000 Chur