Agrarallianz Schweiz

Konzept Agrarpolitik 2030

Weil die Zukunft Richtung braucht

Zusammenfassung

Der Bundesrat hat nach der Sistierung der Agrarpolitik 2022+ mit dem Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik die Grundlage für die nächste agrarpolitische Reform geschaffen. Die Agrarallianz hat den Bericht eingehend geprüft. Die formulierte Vision ist klar: die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft stellt Ernährungssicherheit durch Nachhaltigkeit und Resilienz vom Feld bis auf den Teller her.

Für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik schlägt die Agrarallianz eine Systemänderung vor. Drei Schwerpunkte sollen dabei im Vordergrund stehen:

  1. Die Förderung gesamtbetrieblicher Systemansätze;
  2. die Weiterentwicklung der Qualitätsstrategie und
  3. die Schaffung von Kostenwahrheit.

Mit dem Fokus auf diese drei Bereiche kann ein grosser Teil der skizzierten Zielbilder erreicht werden. Damit die Umsetzung gelingt, muss das Regelwerk vereinfacht und die Selbstverantwortung der Marktakteure gestärkt werden. Die Ausrichtung auf den Konsum gesunder Lebensmittel, auf hohe Tierwohlstandards und eine möglichst umweltverträgliche Produktion und die faire Entschädigung der Marktpartner stehen im Zentrum der Bestrebungen.

Einleitung

Was sind gute agrarpolitische Rahmenbedingungen? Und wie können wir sie gestalten? Zwei einfache Fragen, die unter den Mitgliedern der Agrarallianz in aller Regel abendfüllend diskutiert werden. Klar ist dabei: gute politische Rahmenbedingungen unterstützen die Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft, ihre gesetzlichen und gesellschaftlichen Aufträge zu erfüllen.

Nach der Sistierung der Agrarpolitik 2022+ hat der Bundesrat im Auftrag der Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben des Stände- sowie des Nationalrats einen Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik verfasst und am 22. Juli 2022 veröffentlicht. Der Bundesrat formulierte aufbauend auf einem breit abgestützten Prozess die Vision, dass die  Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft Ernährungssicherheit nicht durch kurzfristige Intensivierung, sondern durch Nachhaltigkeit sowie Resilienz von der Produktion bis zum Konsum herstellt.

Diese Vision ist ein erster Schritt in Richtung einer umfassenden Ernährungspolitik. Sie macht Appetit auf Verbesserungen für Mensch, Tier und Umwelt. Das ist richtig und anspruchsvoll. Denn die Vision vergrössert das Feld, auf dem agrar- und ernährungspolitisches Handeln erfolgen soll. Sie macht einen Bereich komplexer, obwohl Vereinfachung ein viel geäusserter Wunsch ist. Sie macht unübersichtlicher, wo Übersicht verlangt wird.

Mit der Entwicklung der Agrarpolitik 2030 beginnt der Bundesrat 2024 mit der Gestaltung der Eckwerte für die Rahmenbedingungen ab 2030 und bis etwa 2050. Die anstehende Reform kann Meilenstein oder Reförmchen werden – die Verwaltung und die Anspruchsgruppen können jetzt die Weiterentwicklung gestalten.

Der Postulatsbericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik sowie der Folgeauftrag zur Konkretisierung der Konzepte legen das Fundament für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik; und auf diesem Fundament kann nun gebaut werden.

Die Agrarallianz hat die letzten Monate genutzt und den Postulatsbericht einer eingehenden Prüfung unterzogen. Die Mitglieder haben die im Postulatsbericht formulierten Ziele und Stossrichtungen reflektiert, diskutiert und schliesslich priorisiert. Die Mitglieder haben geprüft, wie die verschiedenen Zielbilder und Stossrichtungen miteinander in Beziehung stehen und in Beziehung gebracht werden können.

Im Wissen darum, dass frühere agrarpolitische Entscheide bis heute nachwirken, schlagen die Mitglieder der Agrarallianz für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2030 eine Systemänderung vor. Diese soll die bisherige auf den ökologischen Leistungsnachweis und Direktzahlungsprogramme fixierte Regulierung weiterentwickeln.

Dieses Dokument gliedert sich deshalb in vier Teile: im ersten Teil wird der Postulatsbericht gewürdigt und eingeordnet. Sichtbar wird, mit welchen Prioritäten die Mitglieder der Agrarallianz arbeiten möchten – und wo Zielbilder keinen Konsens fanden. Im zweiten Teil werden die Erwartungen an Prozess und Inhalte sowie Aussagen zur Entwicklung der Agrarpolitik ab 2030 gemacht. Im dritten Teil formulieren wir unsere Prämissen für die Umsetzung der Agrarpolitik 2030. Im vierten Teil schliesslich werden Massnahmen und Wege zur Umsetzung beschrieben.

Teil 1: Was die Agrarallianz aus dem Postulatsbericht mitnimmt

Der Postulatsbericht zur mittelfristigen Entwicklung der Agrarpolitik ist für die Mitglieder der Agrarallianz eine gute Grundlage für die Entwicklung der Botschaft zur AP 2030.

Die Diskussionen im Ausschuss zeigen deutlich, dass folgende Zielbilder für die Weiterentwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft von besonderer Bedeutung sind:

Bereich 1 Produktion, Strukturen und Wertschöpfung

  • Zielbild A1.4 Die grosse Mehrheit der Betriebe wirtschaftet im Rahmen von gesamtbetrieblichen Systemansätzen. Bestehende Produktionssysteme wie integrierte Produktion oder biologischer Landbau werden optimiert.
  • Zielbild A1.8 Die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven in der Landwirtschaft sind so gut, dass es für junge Berufsleute attraktiv ist, in den Sektor einzusteigen und die notwendigen Investitionen getätigt werden. Die Lebensqualität der in der Landwirtschaft tätigen Personen ist hoch und die soziale Absicherung der Bauernfamilien ist gewährleistet.
  • 3 Die Schweizer Landwirtschaft ist vielfältig strukturiert. Die Strukturen sind an die jeweiligen Standortbedingungen angepasst und orientieren sich an den Erfordernissen des Marktes. Es gibt spezialisierte und diversifizierte Betriebe wie auch Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb.

Bereich 2 Gemeinwirtschaftliche Leistungen und Ökologie

  • Zielbild A2.2 wird neu formuliert: A2.2 Die Landwirtschaft stärkt flächendeckend die Biodiversität. Die BFF verfügen über hohe Qualität und sind als Bestandteil der ökologischen Infrastruktur vernetzt.
  • 6 Die THG-Emissionen der Schweizer landwirtschaftlichen Produktion liegen mindestens 40 Prozent unter dem Niveau von 1990
  • Zielbild A2.1 Die landwirtschaftlichen Böden der Schweiz werden in heutigem Umfang erhalten und mit standortangepasster Nutzungsintensität bewirtschaftet. Es gibt gegenüber 2020 netto keinen Rückgang von Fruchtfolgeflächen

Bereich 3 Pflanzenbau

  • Zielbild A3.2 Die angewandten Bewirtschaftungsmethoden erhalten und fördern die Bodenfruchtbarkeit. Der Humusgehalt wird optimiert und Erosion sowie dauerhafte Verdichtung werden vermieden. Die bereits in den Böden vorhandenen Kohlenstoffvorräte werden langfristig erhalten
  • Zielbild A 3.1 Auf ackerbaulich nutzbaren Böden werden prioritär Kulturen zur direkten menschlichen Ernährung angebaut. Alternative Nutzungen gibt es, wenn dies im Rahmen der Fruchtfolge für die Pflanzengesundheit und die Bodenfruchtbarkeit oder für die Förderung der Biodiversität erforderlich ist

Bereich 4 Tierhaltung

  • Zielbild A4.1 Die Wiederkäuerproduktion basiert grundsätzlich auf der Nutzung des Dauergrünlands und der Verwertung von Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung.
  • Zielbild A4.2 Die Veredlungsproduktion erfolgt mit Futtermitteln aus nachhaltiger Produktion und auf der Basis von Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung.
  • Zielbild A4.4 Die Nutztiere sind so gesund, dass Antibiotika nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden müssen.

Abschnitt B Verarbeitung, Vermarktung und Handel

  • Zielbild B3 Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel verfolgen eine gemeinsame Qualitätspositionierung und stellen dabei neben Genuss und Herkunft die Aspekte Nachhaltigkeit, Tierwohl, und Gesundheit in den Vordergrund. Detailhandel und Gastronomie bieten eine breite Auswahl entsprechend positionierten Produkten an.
  • Zielbild B4 Die Lebensmittelverluste von der Produktion bis zum Handel inkl. Gastronomie werden gegenüber 2020 um drei Viertel reduziert
  • Zielbild B6 Importierte Lebensmittel tragen zur Ernährungssicherheit im Inland sowie zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft bei.

Abschnitt C Nachfrage und Konsumverhalten

  • Zielbild C1 Die Konsumentinnen und Konsumenten kaufen nachhaltig und tierfreundlich hergestellte Lebensmittel und bevorzugen dabei regional oder zumindest im Inland erzeugte Produkte
  • Zielbild C2 Umwelt- und Sozialkosten sind in den Marktpreisen der Lebensmittel berücksichtigt und es besteht für die Konsumentinnen und Konsumenten Transparenz hinsichtlich der ökologischen und sozialen Auswirkungen der Lebensmittel.
  • Zielbild C3 wird neu formuliert: C3 Die Bevölkerung ernährt sich gesund und ausgewogen. Als Referenz dienen die Empfehlungen der überarbeiteten Schweizer Lebensmittelpyramide.

Abschnitt D Innovation und Technologie

  • Zielbild D2 Die Schweiz gehört bezüglich Forschung, Beratung, Bildung und Wissensaustausch im Bereich der nachhaltigen Lebensmittelproduktion und gesunden Ernährung zu den führenden Ländern und pflegt diesbezüglich eine intensive internationale Zusammenarbeit.

Agrarpolitik 2030 – Wirkungszusammenhang der priorisierten Zielbilder

Die Grafik zeigt, dass die Agrarpolitik 2030 als System wirkt und dabei mehr ist als die Summe ihrer Massnahmen. Der Wirkungszusammenhang zwischen den verschiedenen priorisierten Zielbildern macht deutlich, dass Zielbilder sowohl die Wirkung (grün hinterlegt) als auch Hebel (rot hinterlegt) sowie Zwischenschritte (grau hinterlegt) umfassen.

Letztlich spielen drei Zielbilder als Hebel für die Entwicklung der Agrarpolitik und der Land- und Ernährungswirtschaft eine entscheidende Rolle:

  1. A1.4 – Die grosse Mehrheit der Betriebe wirtschaftet im Rahmen von gesamtbetrieblichen Systemansätzen. Bestehende Produktionssysteme wie integrierte Produktion oder biologischer Landbau werden optimiert.
  2. B3 – Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel verfolgen eine gemeinsame Qualitätspositionierung und stellen dabei neben Genuss und Herkunft die Aspekte Nachhaltigkeit, Tierwohl, und Gesundheit in den Vordergrund. Detailhandel und Gastronomie bieten eine breite Auswahl entsprechend positionierten Produkten an.
  3. C2 – Umwelt- und Sozialkosten sind in den Marktpreisen der Lebensmittel berücksichtigt und es besteht für die Konsumentinnen und Konsumenten Transparenz hinsichtlich der ökologischen und sozialen Auswirkungen der Lebensmittel.

Teil 2: Wie die Agrarpolitik 2030 aussehen kann

Agrarpolitik 2030 – Erwartungen an den Prozess

Das Parlament beauftragt den Bundesrat, das Konzept zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik zu konkretisieren.

Die Agrarallianz erwartet:

  • … die gemeinsame Lösungsentwicklung, statt das Abfragen von Positionen;
  • …Transparenz und regelmässige Informationen über den Stand der Arbeiten und den wichtigsten Entscheidungen (inkl. Begründung) des BLW;
  • …die Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Ideen und bei der Entwicklung von Lösungen;
  • …professionelle und vollständige Kommunikation – Vorgehen wie bei der Klimastrategie (zurückhalten des Berichts sowie fehlende Information der Begleitgruppenmitglieder aus Angst vor schlechter Presse) ist zu vermeiden;
  • …dass das BLW auf den Grundlagen des Postulatsberichtes aufbaut und die darin definierten Zielbilder ernst nimmt.

Die Agrarallianz und ihre Mitglieder bieten im Gegenzug

  • …die konstruktive Unterstützung für das Einleiten von Massnahmen zur Verbesserung der Perspektiven für Bauernfamilien, Tiere und Umwelt;
  • …Expertise in der Entwicklung von Ideen und Lösungsansätzen.

Teil 3: Prämissen für die Umsetzung

Der Postulatsbericht und die Zielbilder setzen die Schwerpunkte für die Entwicklung der Agrarpolitik. Die Umsetzung knüpft an das bisherige System an und schafft neue Rahmenbedingungen. Die unten formulierten 14 Grundvoraussetzungen müssen aus Sicht der Agrarallianz bei der Entwicklung der Massnahmen mitgedacht und so gut wie möglich berücksichtigt werden.

Die zukünftige Ernährungspolitik ist:

  1. gesamtheitlich: Die politischen Rahmenbedingungen nutzen für die Beurteilung der Nachhaltigkeit gesamtbetriebliche Bewertungswerkzeuge. Die Wahl der zu ergreifenden Optimierungsmassnahmen liegt bei den Betriebsleiter:innen.
  2. indikatorbasiert: Die Leistungen der Landwirtschaft werden wo immer möglich basierend auf bestehenden Datengrundlagen beurteilt. Die politischen Rahmenbedingungen setzen die Voraussetzungen dafür, dass mit geeigneten Indikatoren die Anzahl der Kontrollpunkte für die Landwirte:innen reduziert werden können.
  3. transparent: Die politischen Rahmenbedingungen schaffen Voraussetzungen dafür, dass die Beurteilung der Nachhaltigkeit Aussagen zur Leistung der Branche sowie den wahren Kosten der Lebensmittelproduktion macht.
  4. effizient: Der Mitteleinsatz von Bund und Kantonen ist effizient und bemisst sich am tatsächlichen Bedarf. Ineffiziente bzw. im Sinne der gesellschaftlichen Interessen schädliche Zahlungen und Massnahmen werden verbessert, neu ausgerichtet oder abgeschafft.
  5. abgestimmt: Die Agrar- und Ernährungspolitik 2030 integriert die Strategien des Bundes – namentlich die Klimastrategie, die Biodiversitätsstrategie, die Massnahmen zur Reduktion von Lebensmittelverlusten, die Strategie zur Reduktion der Pestizidrisiken und Nährstoffverluste sowie zur Reduktion des Antibiotika-Einsatzes – und stimmt sie aufeinander ab.
  6. standortangepasst: Die politischen Rahmenbedingungen fördern die standortangepasste Produktion von Lebensmitteln in umweltfreundlichen Produktionssystemen.
  7. sozial: Die Anpassung der Rahmenbedingungen sorgt dafür, dass alle für die soziale Nachhaltigkeit relevanten Aspekte abgedeckt werden. Dazu gehören die Kernthemen der Lebensqualität, der Arbeitsbedingungen, der Gemeinschaft sowie der Chancengleichheit und -Gerechtigkeit. Ausserdem berücksichtigt die Agrar- und Ernährungspolitik ab 2030 d den Generationenwechsel für die Weiterentwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft.
  8. fair: Die politischen Massnahmen unterstützen eine faire und auf Augenhöhe stattfindende Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Wertschöpfungskette.
  9. subsidiär: Staatliche Eingriffe erfolgen, wo Marktversagen vorliegt und sind subsidär. Sie unterstützen die Land- und Ernährungswirtschaft, nicht-marktfähige Leistungen zu erbringen und die gesellschaftlichen Aufträge zu erfüllen.
  10. dynamisch: Die Agrar- und Ernährungspolitik 2030 unterstützt Landwirte:innen und Akteure der Wertschöpfungskette darin, noch besser zu werden. Sie schafft Perspektiven und Profilierungsflächen und fördert die Zusammenarbeit von der Heu- bis zur Essgabel.
  11. marktorientiert: Die Rahmenbedingungen werden in Kenntnis der Ziele der Marktakteure ausgestaltet und ermöglichen, dass die Leistungen am Markt in Wert gesetzt werden.
  12. gesund: Die Land- und Ernährungswirtschaft arbeitet vorsorglich und verantwortungsvoll. Sie fördert Gesundheit und Wohlbefinden von Mensch, Tier und Umwelt und schafft für Konsumentinnen und Konsumenten gesunde Angebote.
  13. einfach: Die Agrar- und Ernährungspolitik 2030 nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung und intelligenter Regulierung, um das Regelwerk zu vereinfachen. Sie nutzt wo immer möglich Einmalzahlungen und die Selbstverantwortung der Marktakteure zur Erreichung der Ziele.
  14. selbstverantwortlich: Die politischen Massnahmen schaffen den Rahmen für die Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft, damit sie ihre Organisationen selbstverantwortlich in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit verbessern.

Teil 4: Zielbilder und Massnahmen


Zielbild A1.4 – Die grosse Mehrheit der Betriebe wirtschaftet im Rahmen von gesamtbetrieblichen Systemansätzen. Bestehende Produktionssysteme wie integrierte Produktion oder biologischer Landbau werden optimiert.


Massnahmen zur Umsetzung des Zielbilds

Staatliche Massnahmen

  • Produktionssystem-Beiträge werden zu gesamtheitlichen Programmen zusammengefasst, die standortgerechte und nachhaltige Produktionsmethoden unterstützen. Dabei fokussiert die staatliche Unterstützung auf die Einführungsphase neuer Massnahmen. Wiederkehrende Zahlungen bilden die Ausnahme.
  • Der Vollzug und das Kontrollwesen werden so weiterentwickelt, dass die Landwirte:innen in der Verbesserung ihrer Betriebe unterstützt werden können. Die Kontrolldaten werden automatisch für das Coaching der Betriebsleiter:innen eingesetzt.
  • Für alle Akteure der Wertschöpfungskette wird eine Art ökologischer Leistungsnachweis eingeführt.

Von Bund und Marktakteuren getragene Massnahmen

  • Als Basis für die Direktzahlungen werden bestehende und möglichst einfache Instrumente angewendet, die die Nachhaltigkeit gesamtbetrieblich abbilden können (z.B. SMART/RISE). Der Einsatz der Analysewerkzeuge wird staatlich unterstützt.
  • Für die Weiterentwicklung der Produktionssysteme stehen den Landwirte:innen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. Zur Beurteilung der Leistung nutzt der Bund geeignete Indikatoren.
  • Die landwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung wird auf gesamtheitliche Systemansätze ausgerichtet.
  • Bund und Branche definieren Ziele für die Anteile von Produkten aus gesamtbetrieblichen Systemansätzen. Wenn das nicht möglich ist, Ziele für die Anteile von Label-Produkten.

Privatrechtliche Massnahmen

  • Bestehende Produktionssysteme entwickeln sich in Richtung Agrarökologie und verbinden die besten Ansätze aus den verschiedenen Bereichen (Biolandbau, integrierte Produktion, regenerative Landwirtschaft, usw.).
  • Die Branche verständigt sich auf einheitliche Standards für die Deklaration von Nachhaltigkeitsleistungen.

Zielbild B3 – Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel verfolgen eine gemeinsame Qualitätspositionierung und stellen dabei neben Genuss und Herkunft die Aspekte Nachhaltigkeit, Tierwohl, und Gesundheit in den Vordergrund. Detailhandel und Gastronomie bieten eine breite Auswahl entsprechend positionierter Produkte an.


Massnahmen zur Umsetzung des Zielbilds

Staatliche Massnahmen

  • Die staatlich subventionierte Absatzförderung so entwickeln, dass Genuss, Herkunft, Nachhaltigkeit, Tierwohl und Gesundheit in den Vordergrund gestellt und als Qualitätsmerkmal aufgenommen werden können. Die Beiträge an die Absatzförderung für tierische Produkte und Zucker wird stark reduziert.
  • Die gesetzlichen Grundlagen für eine ganzheitliche Ernährungspolitik schaffen, sodass sowohl Landwirtschaft als auch Gesundheit und Umwelt entlang der ganzen Wertschöpfungskette berücksichtigt werden kann.
  • Der Grenzschutz schafft den Rahmen für faire Handelsbeziehungen im internationalen Warenverkehr mit Agrargütern sowie Grundlagen für eine Produktion, die weltweit nach den Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet wird.

Von Bund und Marktakteuren getragene Massnahmen

  • Die Qualitätsstrategie der Land- und Ernährungswirtschaft wiederbeleben und entsprechend dem Zielbild B3 ausrichten.
  • In der öffentlichen Beschaffung die Anforderungen an die Gemeinschaftsgastronomie gemäss Zielbild anpassen.

Privatrechtliche Massnahmen

  • Lokale Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Detailhandel, Gastronomie und Verarbeiter stärken.

Zielbild C2 – Umwelt- und Sozialkosten sind in den Marktpreisen der Lebensmittel berücksichtigt und es besteht für die Konsumentinnen und Konsumenten Transparenz hinsichtlich der ökologischen und sozialen Auswirkungen der Lebensmittel.


Massnahmen zur Umsetzung des Zielbildes

Staatliche Massnahmen

  • Wirkung der staatlichen Zahlungen auf die Preisbildung analysieren.
  • Grundlagen schaffen, um Fehlanreize wie umweltschädliche Verbilligungen zu reduzieren, indem die Zahlungen weiterentwickelt werden.
  • Externe Effekte der Lebensmittelproduktion quantifizieren.
  • Externe Effekte in die Preisbildungsmechanismen der Märkte für Lebensmittel integrieren, indem Steuern (bspw. Anpassung der Mehrwertsteuer oder Lenkungsabgaben) auf geeignete Weise festgelegt werden.
  • Lenkungsabgaben für Produktionsmittel (Futter, Dünger, Treibstoffe) so ausgestalten, dass die negativen externen Effekte eingepreist werden.
  • Für alle Akteure der Wertschöpfungskette wird eine Art ökologischer Leistungsnachweis eingeführt.

Von Bund und Marktakteuren getragene Massnahmen

  • Ambitionierte Zielvereinbarungen zwischen Bund und Detailhandel zur Förderung der Nachhaltigkeit und transparente Zielgrössen schaffen.
  • Gesamtbetriebliche Nachhaltigkeitsanalysen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und Beurteilung der Leistung der Land- und Ernährungswirtschaft einsetzen.
  • Reduktion der Fehlanreize durch die vollständige Entkopplung der Direktzahlungen von den Produktpreisen und durch die Transparente Ausweisung gegenüber den Produzent:innen und Konsument:innen.
  • Datengrundlagen für die Bewertung externer Kosten schaffen und einfach und unkompliziert zugänglich machen.
  • Mit einem Pilotprojekt wird geprüft, wie externe Effekte über ein Auktionssystem bewertet und in die Preisbildung integriert werden können.

Privatrechtliche Massnahmen

  • Projekte für die Herstellung von Kostenwahrheit in einzelnen Produktgruppen sowie entlang der Wertschöpfungsketten fördern.

Zusammenfassung und Fazit

Der Erarbeitungsprozess für die Agrarpolitik 2030 auf Ebene Bund beginnt im Herbst 2023 und wird voraussichtlich im Frühling 2025 zu einem ersten Zwischenstand kommen.

Mit diesem Dokument leistet die Agrarallianz ihren Beitrag zur Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen im Sinne ihrer Vision. Das vorliegende Dokument beinhaltet dazu eine Würdigung des Bisherigen und macht Vorschläge für die Zukunft. Die Grundlage dafür bilden Diskussionen im Ausschuss der Agrarallianz, in der Arbeitsgruppe Agrarpolitik, im Präsidium und im Umfeld.

Die Diskussionen zeigen: nicht alle Ideen halten einer eingehenden Prüfung stand, nicht alle Ideen sind zum jetzigen Zeitpunkt richtig, aber ohne Ideen für die Entwicklung ist an eine Verbesserung der Rahmenbedingungen nicht zu denken. Wir zeigen deshalb, dass für die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik 2030 drei Schwerpunkte zu setzen sind:

  • Die Förderung gesamtbetrieblicher Systemansätze: politische Rahmenbedingungen müssen Gewähr bieten, dass sich die Landschaftsbetriebe entwickeln und ihre Leistung verbessern können. Der Fokus auf gesamtbetriebliche Systemansätze schafft die Voraussetzung für standardgerechte und nachhaltige Produktionssysteme und mehr Eigenverantwortung.
  • Die Weiterentwicklung der Qualitätsstrategie der Land- und Ernährungswirtschaft: diese Arbeit betrifft nicht nur die politischen Rahmenbedingungen, sondern auch die Zusammenarbeit von der Heu- bis zur Essgabel. Damit wird eine mit bzw. für die Agrarpolitik 2014-17 entwickelte Massnahme weiterentwickelt und hoffentlich mit neuer Dynamik belebt.
  • Die Schaffung von Kostenwahrheit: dieser Aspekt ist sehr wichtig für die Transparenz auf den Agrarmärkten. Gleichzeitig dürfte die Bewertung externe Effekte eine der anspruchsvollsten Aufgaben darstellen, die im Kontext der Agrarpolitik 2030 zu erfüllen sind.

Diese drei Schwerpunkte wirken entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Sind sind aber auch ein Versuch, den vielen – wenn nicht sogar zu vielen – Stellschrauben mit Logik zu begegnen. Denn viele Stellschrauben verleiten dazu, auf vielen verschiedenen Bühnen und Ebenen zu diskutieren. Wir regen deshalb an, dass im Rahmen der Diskussionen zur Agrarpolitik 2030 Massnahmen geprüft und grosszügig reduziert werden.

Das Umfeld dafür ist und bleibt anspruchsvoll. Das Ziel der Massnahmen bleibt nämlich die Sicherung der gesunden Ernährung der Menschen, der Produktionsgrundlagen, der Erhalt der Produktivität und Gesundheit der Ökosysteme und die dezentrale Besiedelung der Schweiz.

Wichtig für die Entwicklung der Massnahmen ist, dass sie die Vereinfachung des Regelwerks, die Innovation auf den Betrieben und in der Wertschöpfungskette sowie die Ausrichtung auf Konsumentenbedürfnisse und damit den Markt stärken. Die dazu formulierten Prämissen dienen als Richtschnur für die Beurteilung künftiger Instrumente.

Download

Das Dokument beinhaltet zusätzlich die Übersicht zu allen Zielbildern und einen umfangreichen Ideenkatalog für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik.

November 2022 Konzept Agrarpolitik 2030
Agrarallianz-Konzept zur Agrarpolitik 2030

Impressum

Dieses Dokument hat der Ausschuss der Agrarallianz im Sommer 2023 erarbeitet. Der Prozess wurde von Andreas Wyss begleitet. Redaktion: Hansjürg Jäger (Geschäftsstelle Agrarallianz).

Genehmigt vom Agrarallianz-Ausschuss am 28. November 2023.

Herausgeberin
Agrarallianz | Alliance Agraire
Kornplatz 2
7000 Chur

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